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„Die Welt, betrachtet ohne Augenlider. Gisela Elsner, der Kommunismus und 1968“

Gespräch mit Tanja Röckemann am 4. Juni 2025 im Literaturhaus Nürnberg

Am Tag nach der Verleihung des Gisela-Elsner-Literaturpreises ging es weiter mit einer weiteren Veranstaltung zu Gisela Elsner. Gast war Tanja Röckemann, die im Gespräch mit Christine Künzel (Erste Vorsitzende der Internationalen Gisela Elsner Gesellschaft) die wichtigsten Erkenntnisse ihrer Dissertation „Die Welt, betrachtet ohne Augenlider. Gisela Elsner, der Kommunismus und 1968“ (Verbrecher Verlag 2024) vorstellte. Die Publikation der Dissertation wurde von der Elsner-Gesellschaft gefördert.

https://www.verbrecherverlag.de/autor_innen/tanja-roeckemann/

Im Anschluss an das Gespräch folgte eine anregende Diskussion mit dem Publikum. Immer wieder wurde die Frage gestellt, warum die Werke Elsners derzeit nicht mehr im Buchhandel erhältlich sind.

Röckemann stellt u.a. fest, dass Elsner ab den späten 1970er Jahren aufgrund ihrer Kritik an neoliberalen Entwicklungen und dem Bestehen auf einer Revolutionierung der bundesdeutschen Gesellschaft an den Rand des Literaturbetriebs gedrängt wurde. Im Gespräch wurde anhand einer der zentralen Thesen von Röckemann herausgearbeitet, dass insbesondere Autorinnen von einer „Degradierung einer politischen Haltung zum Ausdruck psychischer Instabilität“ betroffen sind.

Zum Abschluss des Gesprächs wurde anlässlich der bevorstehenden Premiere einer dramatisierten Fassung am Staatstheater Nürnberg auf die Aktualität von Elsners Roman „Heilig Blut“ hingewiesen. Um das Publikum einzustimmen, las Christine Künzel Passagen aus dem Roman vor. Der Roman war Anfang der 1980er Jahre entstanden, aber eine Veröffentlichung von zahlreichen bundesdeutschen Verlagen abgelehnt worden. So erschien der Roman zunächst 1987 in russischer Sprache, bis zwanzig Jahre später 2007 die deutschsprachige Erstveröffentlichung anhand des Manuskriptes letzter Hand durch Christine Künzel im Rahmen einer Elsner-Werkausgabe im Berliner Verbrecher Verlag erfolgte. Auch dieser Roman ist derzeit leider nicht im Buchhandel erhältlich.

Tanja Röckemann arbeitet seit 2021 als Wissenschaftsredakteurin bei nd.DieWoche. Im Ressort »Mikroskop« betrachtet sie Wissensproduktion ideologiekritisch, nimmt feministische und rechtskritische Perspektiven ein und versucht herauszuarbeiten, was das alles mit Kapitalismus zu tun hat. Darüber hinaus ist Tanja Röckemann seit 2023 Mitglied im Vorstand der Internationalen Gisela Elsner Gesellschaft.

Von links nach rechts: Christine Künzel, Tanja Röckemann, Dirk Kruse
Von links nach rechts: Christine Künzel, Tanja Röckemann

Fotos: Michael Peter Hehl